Donnerstag, 12. August 2010

Die Frucht deines Leibes

Der österreichische Kurz-Film Die Frucht deines Leibes aus dem Jahre 1996 behandelt die Themen Religion, Fanatismus und die Suche nach sich selbst. Protagonistin ist die siebenjährige Natascha, die mit ihren Eltern und ihrer Großmutter in einem kleinen Ort lebt.

Der Film spielt in der Adventszeit. Immer wieder werden Szenen von Natascha – aus dem Off Weihnachtslieder singend – vor einem Adventstisch sitzend eingeblendet. Unterlegt mit roter Farbe ist dies ein Zeichen für die Irrationalität des Filmes. Rot als die Farbe des Blutes, der Maria und des gekreuzigten Jesus Christus als Einleitung für die subjektive Wahrnehmung der Welt aus der Sicht einer Siebenjährigen.
Ähnlich wie „Alice im Wunderland“ tanzt sich Natascha in ihrem eigenen Zimmer, umringt von ihren Puppen, ihrer Madonnenstatue und den Heiligenbildchen, in eine eigene Welt. Ausgelöst wird dies durch die verschiedenen gesellschaftlich geprägten Einflüsse: Ihre streng religiöse Großmutter, die ihr vom Fegefeuer und der Hölle erzählt, ihre Eltern, die durch ihre weltliche Liebe die Sünde verkörpern, ihre Freunde, mit denen sie „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ spielt, die Schulklasse, die sie wegen ihres teilweise anormalen Verhaltens ausschließt und die Lehrerin, die von roher Gewalt während des Prozesses der Kreuzigung spricht. Besonders hervorgehoben wird dabei die Frage des Glaubens und der Sünde. Durch die häufigen Auseinandersetzungen mit der Kirche und der Religion verfällt Natascha zunehmend in einen fanatischen Glauben an das Leben nach dem Tod. Ein Beispiel hierfür ist der Gedankengang Nataschas als sie ein ihr unbekanntes Baby sieht und sie sich fragt, ob das Kind im Falle des Todes ohne Taufe im Fegefeuer endet.
Missverstanden von der Welt versucht sie diese durch neu aufgeschnappte Worte wie „Hure“, das Lesen von Sexmagazinen, Doktorspiele mit einem Freund und dem Verzicht auf Unterwäsche, zu erkunden. Jedoch erfährt Natascha durch ihr Verhalten lediglich Spott, Ignoranz und Bestrafung. Hin- und hergerissen zwischen Recht und Unrecht entwickelt Natascha zunehmend ihre eigenen Vorstellungen von der Welt. So bemalt sie in der Schlussszene mit roter Wachsmalkreide den Bauch ihrer Marienstatue. Gleichzeit angewidert von ihren Taten, schlägt sie mit ihrer neu zu Weihnachten geschenkten Spielpuppe auf die Statue ein, bis ihr der Kopf abfällt. Diesen klebt sie mit Klebeband wieder an und schläft mit ihr im Arm ein.
Der Film versetzt den Zuschauer in eine beklemmende Stimmung. Diese wird durch viele Detailaufnahmen von Puppen, Katzen und Nataschas Gesicht verstärkt, wodurch das Gefühl von Unbehagen bei den trivialsten Szenen vermittelt wird. Die Regisseurin stellt durch die Story heraus, dass nicht Natascha selbst anormal ist, sondern dass die Gesellschaft und die unausweichliche Beeinflussung sie in einen inneren Kampf zwischen Realität und Wahnsinn drängen. Was anfänglich als normale Neugier eines Kindes erscheint, entwickelt sich im Laufe des Films zu einer Absurdität der Selbstzüchtigung. Die Gefahr besteht, dass oberflächlich schauenden Zuschauer_innen den Ernst der Situation verkennen und unbewusst mit Ignoranz und Spott reagieren. Durch zunehmende Aggressivität der Szenen werden sie allerdings zum Nachdenken angeregt und finden sich im Zwiespalt mit gesellschaftlichen Normen und der Absurdität des Seins.

Barbara Albert
Die Frucht deines Leibes
Österreich
1996
27 Minuten

CW & SF

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