Samstag, 14. August 2010

Kinderprogramm in Locarno: DIE PUPPE von Ernst Lubtisch

Locarno ist nicht nur ein Ort, in dem Filme laufen, sondern auch ein Ort mit Einwohnern. Berufstätige, Ältere, Familien – und Kinder. Für die – sowie für alle Angereisten – hält das Festival ein speziell zugeschnittenes Programm parat.
Dazu gehört auch die Vorführung von Ernst Lubitsch’ DIE PUPPE , die in der ihm gewidmeten Retrospektive läuft. Eine gut besuchte Vorstellung im Kino Ex-Rex, ein voll besetzter Raum, stetiges Summen von Kinderstimmen bis zum Beginn des Films.


Zur Handlung: Ein alternder Baron will verhindern, „dass sein Geschlecht ausstirbt“ und verdonnert Neffe Lancelot zu Heirat. Auf der Flucht vor 40 Jungfrauen und der eigenen Courage gelangt dieser ins Kloster, wo die Jünger Gottes in Saus und Braus schlemmen – aber nicht mehr lange: das Klosterbudget wird knapp. Also schmiedet die Lancelot/Kloster – Koalition einen Plan: Eine Hochzeit mit einer Puppe, einer lebensechten mechanischen Frau soll vorgetäuscht und das bei Rückkehr und Heirat vom Onkel versprochene Geld nächstenliebend geteilt werden. Szenenwechsel: Ein Puppenfabrikant stellt sein Meisterwerk, einen mechanischen Klon seiner Tochter Ossi fertig, und schon ist Lancelot erwerbsbereit zur Stelle. Durch einen unglücklichen Zufall geht die Puppe zwischenzeitlich kaputt, die echte Ossi springt täuschend ein und ist nun auf dem Weg zum Schloss des Baron und damit unwissentlich zu ihrer Hochzeit. Um den anschließenden Maskeradenklamauk abzukürzen: Ossi und Lancelot – wie sollte es anders sein – verlieben sich ineinander und die Hochzeit kann, nicht nur auf dem Papier, stattfinden.

DIE PUPPE ist kein Film, der für Kinder gemacht ist, aber einer, den Menschen jeder Altersklasse sehen können. Der Stummfilm stellt dabei ein interessantes Format für eine Kindervorstellung dar: die Zwischentitel bündeln die – zugegebenermaßen recht hanebüchene – Handlung auf die essentiellen Informationen, während die entstehenden Leerstellen der autonomen Interpretation überlassen sind. Auf diese Weise wird nicht nur ein reflektierter Umgang mit Filmrezeption gefördert, auch die Ansprache der kindlichen Zuschauer wird – zwangsläufig – nicht unangemessen angepasst. Dagegen verfehlen die beiden Moderatoren, die mit einer überladenen ‚Show’ in spezifische Charakteristika von Stummfilmen einführen, die Ebene des ernstzunehmenden Gegenübers nicht nur um Haaresbreite. Lobenswert dagegen: Um authentische Verhältnisse zu schaffen, begleitet ein Pianist live die Vorführung.

Nicht nur das Stummfilmformat, sondern auch Lubitsch’ Film im Speziellen ist ein besonderer Beitrag im Umfeld kindlich-medialer Wahrnehmung. Vor allem zu Beginn, wenn Lubitsch selbst als Konstrukteur auftritt, um die Szenerie in Puppengröße aufzubauen, wird nicht nur auf kommende inhaltliche Elemente verwiesen, sondern auch der Film in seiner Eigenschaft als künstliches und inszenierendes Medium reflektiert.
Abschließend formuliert kann man an diesem Nachmittag einen Film sehen, der es richtig macht – umgeben von einem Rahmen, der in seiner pädagogischen Fürsorglichkeit die Fähigkeit von Kindern, gefiltert und selbstständig wahrzunehmen, unterschätzt. (NV)

DIE PUPPE, Ernst Lubitsch, D 1919, 64 Minuten

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